Tag 8
Tag acht meiner Blaustein-Karriere dämmert heran und ich ahne noch nicht, dass eine Monster-Session vor mir liegt. Wie soll ich auch, schließlich schlafe ich tief und fest. Wieder geistern Felsen durch meine Träume und einmal höre ich auch das seltsame Lachen, ja bei dem Geräusch handelt es sich eindeutig um Gelächter. Aber es klingt nicht bösartig oder verletzend, nein, es ist ein volltönendes Lachen und irgendwie wirkt es anerkennend.
Ausgeruht erwache ich, trinke meinen morgendlichen Kaffee, streichle geistesabwesend einige der Katzen und setze mich an Burg Blaustein. Der nächste Bauabschnitt beginnt mit dem Sortieren des Inhalts von Beutel Nummer 6. Er enthält – zu meinem Schrecken – auch einige Slopes und Curves, was auf Felsen schließen lässt.
Tatsächlich sind die ersten Schritte Felsen. Öfter mal was Neues, seufze ich und stecke die Teile verdrossen zusammen. Zu meiner Verblüffung geht mir die Arbeit flott von der Hand und nach nur 30 Minuten habe ich die letzten paar Felsblöckchen, die noch anstanden, geschafft und an ihre Positionen geklipst.
Nächster Punkt ist eine weitere Öko-Offensive. Blumen und Sträucher werden auf die Felsen geklemmt. Eine überflüssige Fleißaufgabe, wie sich später herausstellen wird. Erstens streift man beim Bauen den Großteil des Gestrüpps wieder ab und zweitens muss der Wildwuchs für die Erweiterungen ohnehin entfernt werden.
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Jetzt folgt der ernsthafte Teil: Graf Blaustein bekommt endlich ein Esszimmer und ein Schlafgemach. Schluss mit Eintopf im Hof oder Bratenscheiben in der Küche. Schluss mit Nächtigungen im Zelt. Endlich ein Leben, das eines Grafen würdig ist!
Die Grundmauern des ersten Stockwerks stehen relativ schnell. Zumindest kommt es mir in meiner Freude, endlich keine Felsen mehr aufeinander türmen zu müssen, so vor. Die Innenwände sind kein schnöder Stein wie in der Küche, nein sie sind in Cremeweiß gehalten, schön geglättet und mit Blumenornamenten verziert.
Und hier steckt wieder einmal der Teufel im Detail. Die Blümchen, die normal auf Sträucher gesteckt werden, sollen in Lochsteine geklemmt werden. Nur halten sie dort nicht. Egal was ich versuche, sie fallen heraus, sobald ich die Steine senkrecht stelle.
In meiner Verzweiflung greife ich zum bekannten gelb-schwarzen Alleskleber. Der weckt zwar mit seinen Farben Reminiszenzen an die untergegangene österreich-ungarische Donaumonarchie, taugt aber sonst nur dazu, Klebstofffäden an meine Finger und an die Lochsteine zu heften. Auf den Blümchen, die aus Weichplastik gegossen sind, will der Klebstoff nicht recht haften.
Schon bin ich nahe daran, auf den weibischen Blumenschmuck ganz zu verzichten – man kann sich irgendwie alles schön- oder in diesem Fall schlechtreden – da kommt mir eine letzte Idee. Wozu besitze ich seit neuestem den praktischen Festklemm-Hammer? Und tatsächlich: Lochstein auf die Seite gelegt, Blümchen obendrauf gesetzt, ein oder zwei zärtliche Schläge mit dem Hämmerchen und schon steckt das Ding bombenfest. Offenbar treiben die Schläge das Weichplastik auseinander, sodass es plötzlich gut hält.
Durch das Erfolgserlebnis neu motiviert, esse ich eine Kleinigkeit, es ist 15 Uhr geworden, und klemme weiter. Ein allerliebster zweiflammiger Kerzenleuchter wird zusammengefitzelt, Eine Treppe ins zweite Stockwerk, ein Tisch und Sitzgelegenheiten. Das Esszimmer ist fertig!
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Ich konstruiere die Decke des Zimmers, die gleichzeitig den Fußboden des Schlafzimmers darstellt. Die soll man leicht abnehmen können, um ins Innere der unteren Geschoße schauen zu können. In der Theorie klingt das gut, in der Praxis passt das Ganze nicht zusammen.
Das ist, wie sich rasch herausstellt, nicht die Schuld des Designers. Verantwortlich bin wieder einmal ich. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass meine Treppe eine Stufe zu viel besitzt. Die ist jetzt natürlich im Weg. Schnell behoben denkt der immer noch ein bisschen naive Anfänger, da zerbröselt ihm schon die ganze Treppe unter den ungeschickten Fingern. Mit Zange und Pinzette berge ich die Trümmer, baue den Aufstieg neu zusammen und passe ihn ein. Dabei zerlegt er sich wieder in seine Einzelteile. Nach ein wenig Gefluche beschließe ich, mir ein Bierchen zur Beruhigung zu gönnen.
Das wirkt tatsächlich und im zweiten Anlauf steht die jetzt gekürzte Treppe an Ort und Stelle. Jetzt klappts auch mit dem Nachbarn, äh, der Decke. Auf die kommen die Giebelmauern und die Seitenwände des Schlafzimmers. Besonderer Gag: An der Außenmauer der Burg klebt ein kleiner Erker, der nach untern offen ist. Im Inneren des winzigen Anbaus ist über der Öffnung ein Holzbrett mit kreisrundem Loch in der Mitte angebracht. Dieses ist für das gräfliche Hinterteil gedacht. Menschliche Ausscheidungen werden so umweltschonend entsorgt und im Belagerungsfall möchte sicher kein Angreifer über diese schmutzige Route in die Burg schleichen. „Den Scheißjob soll ein anderer machen“, kann ich die Gedanken der armen Belagerer richtiggehend hören. Das stille Örtchen hat natürlich auch eine Tür, damit der Graf sein Geschäft ungestört verrichten kann.
Zeit die Katzen zu füttern, die durch penetrantes Gehüpfe auf meinen Tisch schon seit einiger Zweit anzeigen, dass es jetzt aber langsam wirklich Zeit für ihr Abendessen wäre. Sie haben recht, also gibt’s quasi als Entschuldigung besonders hochwertiges Hühnerfilet in Brühe. Nicht dass die Mistviecher das großartig danken würden.
In das Dachzimmer wird ein luxuriöses Bett gestellt. Platz für einen Schrank ist keiner, da auch hier eine Treppe nach oben führt, die später den Bergfried anschließen wird. Außerdem bewahrte man damals seine Kleider ohnehin in Truhen auf. Vielleicht spendiere ich dem Grafen irgendwann einen Eigenbau.
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Nach so viel Bauaktivität fühle ich mich müde. Kein Wunder: Ich habe 14 Stunden lang fast ununterbrochen geklemmt. Aus dem Sonntag ist bereits ein Montag geworden. Kann mir allerdings egal sein. So ein Rentnerdasein hat seine Vorteile.
Fortsetzung folgt