Falls es jemand noch nicht aufgefallen ist: Das Bild stammt aus den USA (oder zumindest aus einem Land, in dem mit $ bezahlt wird). Das Label am Regal sieht auch stark nach Walmart aus, aber da kann ich mich irren. WENN es die USA sind, ist die ökomische Situation für viele Menschen dort eine ganz andere als hier in Europa bzw. Deutschland. Sonst wäre es nicht schon längst üblich, daß in Convenience Stores ganz normale Drogerie-Artikel in großem Maßstab von Gangs geklaut werden. Quelle: Handelsblatt, vor 7 Tagen.
https://www.handelsblatt.com/politik/in ... 79646.html Ladendiebstahl gibt es hier zwar auch, aber sicher noch nicht in DEM Maßstab, wie er in dem Handelsblatt-Artikel dokumentiert wird. Mein Argument: Die Armut in den USA sorgt hier nochmal für einen ganz anderen Druck, die richtige Figur zu bekommen. Und ein riesiger Walmart bietet auch eine gute Gelegenheit, in aller Ruhe die Packungen aufzureißen, da ja kaum Personal vorhanden ist, die das verhindern könnte.
Insofern sollte man den Eindruck des Bildes vielleicht nicht 1:1 auf Deutschland transferieren und darauf eine Diskussion um den allgemeinen Verfall der Sitten aufbauen. Eltern haben schon immer über die Jugend geschimpft, das ist gut dokumentiert, seitdem es Schrift gibt. Ich bitte zudem zu bedenken, daß die Elterngeneration genau die Welt geschaffen hat, in der die Kinder jetzt leben (müssen). Und wenn die Kinder sich vermeintlicherweise nicht mehr an Recht und Ordnung halten, dann sind da nicht unbedingt die Kinder dran schuld, sondern die Eltern, die die Regeln nicht durchgesetzt haben bzw. gern auch mal andere Werte vorleben als sie predigen. Kinder sind nicht annähernd so doof, wie man denkt, und lernen sehr schnell, was sozial wirklich akzeptabel ist und was nicht. Der einzige Mechanismus, der uns alle dazu bringt, uns an die Regeln zu halten und nicht einfach zu tun, was wir wollen, ist der soziale Druck. Fehlt der oder setzt er falsche Anreize, darf man sich nicht übers Ergebnis beschweren.
Zu Legos Lootboxen: Wenn ich als Hersteller/Händler also ein (zu) teures Produkt anbiete, das viele haben wollen und der Kunde noch nicht mal weiß, was er dann kriegt, dann muß ich das besonders sichern (lassen), insbesondere, wenn es klein ist. Wenn nicht: Gelegenheit macht (Gelegenheits-) Diebe (oder zumindest wird dann vom potentiellen Käufer der Inhalt der Packung geprüft). Ja, das ist formal unrecht (Beschädigung/Diebstahl fremdem Eigentums), aber ich habe den Eindruck, daß wir uns alle einig sind, daß Lego hier ziemlich unmoralisch handelt, und daß es sogar ein gewisses Maß an Schadenfreude gibt, daß es nun "mit Ansage schiefgeht". Ich dachte allerdings, wir reden hier über Sittenverfall der Jugend und wir als Erwachsene wären moralisch bessere Menschen... Wobei mir hoffentlich das eine oder andere Quäntchen feinster Ironie mitzuschwingen scheint...
Die Lösung wird sein, daß es die Figuren nur noch im Kassenbereich gibt, wie es
@BumBum schreibt. Lego wird nie zugeben, hier einen Fehler gemacht zu haben, vor allem, weil der Schaden ja praktischerweise beim Händler entsteht, nicht bei Lego (vgl. Rabatt-Diskussion, insbesondere nach den Preiserhöhungen der letzten Monate). Die hohen Hürden beim Zugeben eines Fehlers, insbesondere wenn die Handlung/Aussage öffentlich dokumentiert ist, sind ein gut erforschter psychologischer Mechanismus. Es würde mich also sehr wundern, wenn Lego (zeitnah) anders handeln würde.
Nochmal zu sozialer Akzeptanz: Die Kinder lernen von den Eltern, daß Lootboxen unmoralisch und "falsch" sind, aber das Nachgucken "ok" ist. In der persönlichen Abwägung kann man sich nämlich sehr gut einreden, daß das Nachschauen irgendwie weniger schlimm als das Anbieten der bösen Lootboxen ist und damit wäre die eigene Handlung irgendwie weniger verwerflich und damit ok, ja, man habe sogar das Recht dazu, weil Lego ja so viel falscher als man selbst handelt. Eine solche "vergleichende Ethik" gibt es nicht, es ist schlicht beides falsch, aber aus unterschiedlichen Gründen und eine graduelle Bewertung bei moralischen Fragen gibt es nicht. Die einzige richtige Lösung wäre, das Produkt einfach nicht kaufen, denn ein Recht auf die "richtige Minifigur" oder gar "günstige Preise" gibt es nicht.
So, das waren jetzt meine 2 Cents zu dem Thema. Jetzt werfe bitte derjenige den ersten Stein, der noch keine Hommage in China bestellt hat oder anderweitig moralisch ohne Fehl ist (Pro-Tipp: Letzteres ist echt schwierig zu erreichen).